AfD-Infostand in Stuttgart: Antifa verneint Angriff ( www.kontextwochenzeitung.de )

Auf Grundlage einer dpa-Meldung behaupten etliche Medien, die Stuttgarter Antifa habe sich zu einem "Angriff" auf die AfD bekannt. In dem entsprechenden Statement steht aber das Gegenteil.

Die Arbeit der Deutschen Presseagentur (dpa) genießt einen so guten Ruf, dass viele Redaktionen ihr buchstäblich blind vertrauen.

Nicht nur die "Süddeutsche Zeitung" übernimmt Meldungen "direkt aus dem dpa-Newskanal". Am 10. Mai titelten unter anderem "Spiegel", "Welt", "Zeit Online", FAZ, "t-online", "Der Standard", die "Augsburger Allgemeine" und weitere Medien auf Grundlage eines dpa-Berichts: "Stuttgarter Antifa bekennt sich zu Angriff auf AfD-Infostand".

Diese Überschrift irritiert insofern, als dass das Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart und Region (aabs) genau das Gegenteil tut.

So heißt es im Statement: "Mit Schlagworten wie 'Angriff' oder 'Attacke' wird ein völlig falsches Bild der Abläufe gezeichnet und in sozialen Medien mit Fahndungsfotos zur Hetzjagd auf Nazi-Gegner:innen geblasen."

Am 8. Mai hatte der Landtag Baden-Württembergs eingeladen, um "75 Jahre Grundgesetz" zu feiern. Mit dabei war eine Partei, die allein im Bundestag über 100 Rechtsextremist:innen beschäftigt, zur Landtagswahl in Thüringen einen Faschisten als Spitzenkandidat aufstellt und millionenfache Deportationen plant. Am Infostand der AfD kam es dann zu einem Zwischenfall.

Bekannt hat sich das aabs lediglich zu einer Protestaktion: Demnach hätten sie "kreativ und lautstark gestört", ein "Banner gegen rechte Hetze" aufgespannt und "Passant:innen mittels einer Megafon-Durchsage über das Treiben der Rechten" aufgeklärt. "Bereits nach kurzer Zeit kam es seitens des Sicherheitsdienstes und Abgeordneten der AfD zu einem Handgemenge", heißt es hier.

Ungefähr so wird der Ablauf auch in der dpa-Meldung wiedergegeben, die im direkten Widerspruch zur Überschrift denn auch erklärt: "Auf die Information der Polizei, wonach zwei Abgeordnete von den Störern körperlich angegangen und verletzt worden seien, geht die Antifa in ihrer Mitteilung nicht ein."

Was genau vorgefallen ist, wird gegenwärtig ermittelt. Die Polizei sucht Zeug:innen und wertet Videomaterial aus. Unabhängig vom Ergebnis: Aus einem Statement, das einen Angriff explizit verneint, ein Bekenntnis zu einem Angriff zu machen, ist nicht nur handwerklich miserabel.

Es ist kostenlose Propaganda für eine faschistisch durchsetzte Partei, die sich liebend gerne in der Opferrolle suhlt. Erst recht in Zeiten, in denen oft nur Überschriften gelesen werden.

"TEILEN + TEILEN + TEILEN", schreibt der AfD-Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Goßner auf Social Media, spricht von "gewalttätigen Übergriffen von Linksextremisten auf mehrere AfD-Abgeordnete, darunter auf mich" und schildert eine junge Frau, die ihm einen "Schlag ins Genick" versetzt habe.

Die Stuttgarter Polizei stellt das Geschehen weniger dramatisch dar. Demnach seien nach derzeitigem Ermittlungsstand zwei Geschädigte "leicht verletzt" worden, "eine medizinische Versorgung war nicht notwendig".

Aufnahmen, die Kontext vorliegen, zeigen auch, wie ein Security-Mitarbeiter eine Störerin schubst, Menschen drängen sich gegenseitig zurück, das Ganze wirkt einigermaßen unspektakulär. Ob dabei die Grenze zur Strafbarkeit überschritten worden ist, wird sich zeigen.

Die "Stuttgarter Zeitung" schreibt allerdings: "Schon wieder ein Übergriff gegen Politiker, schon wieder gilt politisches Faustrecht."

Und Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) kommentiert: "Ich bedaure es sehr, dass es am Stand der AfD-Fraktion zu Störungen kam. Der offene Austausch und das Aushalten von unterschiedlichen Meinungen gehören in der Demokratie dazu. Ich verurteile jede Form von Gewalt, egal aus welcher Richtung sie kommt und gegen wen sie sich richtet."

Der Einsatz gegen Gewalt ist aller Ehren wert. Sonderbar mutet allerdings die Implikation an, die "Meinungen" der AfD müssten ausgehalten werden.

1924, genau vor 100 Jahren, schrieb Thomas Mann vorausschauend: "Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt."

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